Ist der Versorgungsausgleich auch bei langer Trennungszeit vollständig durchzuführen ?

Antwort von Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel, Schwerin

Immer wieder vor, dass sich Eheleute trennen aber keine Ehescheidung einreicht wird, teilweise aus Kalkül, teilweise aus Nachlässigkeit oder Desinteresse. Leben Eheleute beispielsweise zehn Jahren getrennt, stellt sich die Frage, ob der Versorgungsausgleich auch für die lange Trennungszeit durchzuführen ist. Beispiel: Die Ehefrau reicht nach sechs Jahren nach der Trennung die Ehescheidung ein. Sie ist noch berufstätig, der Ehemann schon Rentner.

Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen ( § 27 VersAusglG).

Mit Ausnahme der Berufung auf eine knapp sechsjährige Trennungszeit und einer wirtschaftlichen Benachteiligung trägt die Antragstellerin nichts vor, was zu einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls führen könnte. Es fehlt schlichtweg jeder Tatsachenvortrag. Die Ehe dauerte insgesamt 41 Jahre, die Trennungszeit knapp sechs Jahre.

Ein Ausschluss oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG BGB setzt voraus, dass die Inanspruchnahme des Ausgleichspflichtigen grob unbillig ist. Grobe Unbilligkeit kommt in Betracht, wenn auf Grund besonderer Verhältnisse die starre Durchführung des Ausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde. Bei dieser Entscheidung sind strengere Maßstäbe als bei der Prüfung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) anzulegen, da eine Teilhabe an Vermögenswerten in Frage steht, die die Ehegatten in der zurückliegenden Ehezeit gemeinsam erwirtschaftet haben ( Dörr, Münchener Kommentar zum BGB,6. Auflage 2013 , § 27 VersAusglG Rz 15 ).

Nachfolgende Gerichte haben in vergleichbaren Fällen einer mehr als drei Jahre dauernden Trennung keinen Ausschluss oder keine Reduzierung des Versorgungsausgleichs vorgenommen:

OLG Naumburg: Beschluss vom 29.11.2007 - 8 UF 79 / 7 = 11,29 = BeckRS 2008, 04374

Nach einer mehr als 30-jährigen Ehe führt eine Trennungszeit von rund 13 Jahren bis zum Scheidungsantrag grundsätzlich nicht zu einer Herabsetzung des Ausgleichs.

OLG Hamm, Beschluss vom 30.09.2010 - 11 UF 119/10 BeckRS 2010, 28992

Eine Kürzung des Versorgungsausgleichs kommt bei langer Ehezeit grundsätzlich nicht in Betracht, selbst wenn die Trennungszeit 1/4 der Ehezeit ausmacht.

KG, Beschluss vom 17.10.2012 - 19 UF 7/12 BeckRS 2012, 23421

Die lange Dauer der Trennungszeit rechtfertigt eine Kürzung des Versorgungsausgleichs vorliegend nicht. Wegen des grundsätzlichen Schutzes des Bestandes der Ehe ist der Versorgungsausgleich auch bezüglich der während der Trennungszeit erworbenen Anrechte durchzuführen.

Haben Sie Fragen zum Versorgungsausgleichs bei langer Trennungszeit, zur Scheidung oder zum Familienrecht vereinbaren Sie gern einen Termin mit Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel, Schwerin unter der Tel.-Nr. 0385-565506/16