Kann der Umgang mit dem anderen Elternteil vollständig ausgeschlossen werden?

Antwort von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel, Schwerin

Rechtsgrundlage für die Einschränkung oder den Ausschluß des Umgangs mit dem Kind

§ 1684 Abs. 3 BGB

(4) 1Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. 2Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. 3Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, dass der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist. 4Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser bestimmt dann jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt.

Das Umgangsrecht ist sowohl ein Grundrecht des Kindes als auch des anderen Elternteils. Es kann nur unter sehr engen Voraussetzungen gänzlich ausgeschlossen werden und nur dann, wenn eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls vorliegt. Vor einem vollständigen Ausschluss des Umgangsrechts kommt als milderes Mittel ein begleiteter Umgang in Betracht, zum Beispiel in den Räumen des Jugendamtes unter Anwesenheit eines dortigen Mitarbeiters.Zu den Vorraussetzungen führt beispielsweise das Oberlandesgericht Celle mit Beschluß vom 8.5.2015 10 WF 11/15 auszugsweise folgendes aus:

" Aufgrund des verfassungsrechtlich nach Art. 6 Abs. 2 GG besonders geschützten Elternrechts ist zu beachten, dass eine Einschränkung des Umgangsrechts eines Elternteils nur dann gerechtfertigt ist, wenn sich mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt, dass dies zum Schutz des Kindes und zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung erforderlich ist .... Diese verfassungsrechtliche Dimension stellt auch besondere Anforderungen an die gerichtlich .... gebotene Sachaufklärung, die nicht nur den Elternrechten Rechnung tragen muss, sondern aufgrund des staatlichen Wächteramtes (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) auch das Kindeswohl besonders im Blick haben muss ..... Die Gerichte müssen ihr Verfahren so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können ...... Dabei ist das Gericht zwar nicht stets gehalten, sich sachverständig beraten zu lassen, etwa wenn anderweitig hinreichende und zuverlässige Entscheidungsgrundlagen vorhanden sind ....... Angesichts der besonderen Tragweite eines Umgangsausschlusses und unter Berücksichtigung der fehlenden eigenen Sachkunde.... des Gerichts zur Beurteilung der außergewöhnlichen Umstände im vorliegenden Fall wäre die Frage einer Kindeswohlgefährdung durch Umgangskontakte zwischen dem Antragsteller und dem Sohn nur durch ein kinderpsychologisches Gutachten hinreichend sicher aufzuklären.

... Aus eigener Sachkunde heraus kann das Gericht die für § 1684 Abs. 4 BGB gebotene Prognose zur Kindeswohlgefährdung nach Auffassung des Senats nicht treffen. Es bedarf bei der vorliegend außergewöhnlichen Konstellation einer kinderpsychologischen Begutachtung zu der Frage, ob und – wenn ja – unter welchen Voraussetzungen, wann und mit welcher Häufigkeit Besuchskontakte zwischen dem Antragsteller und seinem Sohn in Betracht kommen oder ob dies mit großer Wahrscheinlichkeit dessen geistiges, seelisches oder körperliches Wohl gefährden würde. Hierzu müssten zudem die Strafakten beigezogen werden, aus denen sich möglicherweise weitere Erkenntnisse darüber ergeben, ob das Kind die Tat miterlebt hat oder nicht. Unklar und nur mit dem besonderen Fachwissen eines Sachverständigen ist etwa die Frage zu klären, ob die Tat zu einer Traumatisierung des Kindes geführt hat, welches in unmittelbarer Nähe zum Tatort schlief und den Abbruch zu seiner engsten Bezugsperson erleben musste. Eine drohende Retraumatisierung – wie vom Jugendamt befürchtet – könnte einen Ausschluss des Umgangsrechts rechtfertigen, müsste aber ihrerseits sachverständig beurteilt werden. Falls von einem Umgang des Kindes mit seinem leiblichen Vater aus gutachterlicher Sicht derzeit abzusehen sein sollte, bedürfte es zudem einer genaueren Aufklärung dazu, ob der Umgangsausschluss auf Dauer oder befristet anzuordnen wäre. Falls eine Wiederaufnahme von Kontakten nach einer gewissen Frist empfohlen werden sollte, bedürfte es sachverständiger Angaben dazu, in welchen Schritten diese umgesetzt werden könnten.

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