Verfestigte Lebensgemeinschaft - ein Verwirkungsgrund für den Trennungs- und nachehelichen Unterhalt

Ausgangslage: Eheleute trennen sich und einer zieht sofort mit einem neuen Lebenspartner zusammen oder tut dies deshalb nicht, um den Trennung-und nachehelichen Unterhalt nicht zu gefährden. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob unter wie lange der Ehepartner noch einen Unterhaltsanspruch für die Dauer der Trennung und nachehelich hat.

Gemäß § 1579 ist ein Unterhaltsanspruch u.a. zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen wenn der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt. Die Frage,ob und ab welchem Zeitpunkt eine verfestigten Lebensgemeinschaft besteht, ist nicht immer leicht zu beantworten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist von einer verfestigten Lebensgemeinschaft insbesondere dann auszugehen, wenn objektive, nach außen tretende Umstände wie etwa

- ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt,

- das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit,

- größere gemeinsame Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Einfamilienhauses oder

- die Dauer der Verbindung den Schluss auf eine verfestigten Lebensgemeinschaft nahe legen.

Wann im Einzelnen diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für den Unterhaltsverpflichteten oft schwer darzulegen und auch zu beweisen. Nicht selten wird ein Privatdetektiv eingeschaltet, um den Unterhaltsberechtigten und dessen Lebensweise zu überwachen.

Für den Unterhaltsverpflichteten interessant und dogmatisch gut begründet ist eine Entscheidung des Amtsgerichts Ludwigslust, dass mit § 7 Abs. 3 SGB II argumentiert.Nach dieser Vorschrift gehört zu einer Bedarfsgemeinschaft eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.Dementsprechend für das Gericht aus:

"..... Jedenfalls findet sich in § Abs. Nr. 3c SGB II eine gesetzliche Definition der vergleichbaren so genannten Bedarfsgemeinschaft dahingehend, dass ihr Bestehen anzunehmen ist, wenn eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen; nach § Abs. SGB II wird ein solcher wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet, wenn Partner alternativ länger als ein Jahr zusammenleben, mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
(a) Schon der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung spricht dann dafür, die Regelung in § Abs. SGB II zur Bestimmung einer verfestigten Lebensgemeinschaft heranzuziehen. Die dort genannten Kriterien lassen auch im Unterhaltsrecht den Schluss zu, dass sich eine Lebensgemeinschaft verfestigt hat. Nicht zuletzt ist auch beim Betreuungsunterhalt nach § BGB eine Anlehnung an den Standard des Sozialhilferechts nach den §§ Abs. Sätze 2 bis 4 SGB XII, 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II gewollt. Insbesondere die Annahme des Erfordernisses eines über ein Jahr hinausgehenden Zusammenlebens des Ehegatten mit einem neuen Partner würde dazu führen, dass der unterhaltspflichtige geschiedene Ehegatte den Aufbau einer neuen Beziehung finanzieren muss, was mit dem allgemeinen Rechtsempfinden nicht in Einklang zu bringen ist (vgl. zum Ganzen Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth-Hollinger, a. a. O., § 1579 Rn. 19 ff. m. w. N.).
... Es kann dem auch nicht etwa mit dem Argument begegnet werden, die Regelungen des Sozialrechts ließen sich nicht auf den Bereich des familienrechtlichen Unterhaltes übertragen, weil es dort allein um die Frage gehe, ob es der Allgemeinheit zuzumuten sei, für den Unterhalt eines Bedürftigen aufzukommen, während hier engere solidarische Bindungen aufgrund von Ehe oder Verwandtschaft zugrunde zu legen seien; denn während die öffentliche Hand einem mehr oder weniger abstrakten moralischen Auftrag zur Daseinsvorsorge nachkommt, trifft es einen Ehegatten als Unterhaltsschuldner persönlich und emotional doch ungleich und nachvollziehbar härter, wenn er seinen getrennt lebenden Partner über einen längeren Zeitraum unterhalten soll, obwohl sich dieser bereits in nach außen verfestigter Weise einem neuen Lebensgefährten zugewandt hat."

Quelle :AG Ludwigslust, Beschluss vom 08.10.2010 - 5 F 243/10

zum Thema: verfestigte Lebensgemeinschaft / Verwirkung / Unterhalt



Eingestellt am 04.11.2014 von M. Vogel
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