Sorgerecht /Entscheidungsbefugnis ( Corona ) Schutzimpfung: Welcher Elternteil entscheidet über ( Corona - ) Schutzimpfungen bei Uneinigkeit der Eltern ?

Antwort von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel, Schwerin

Wie bei allen Impfungen entspricht es bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung, demjenigen Elternteil die alleinige Entscheidungsbefugnis über das Impfen zu übertragen, der dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Die obergerichtliche Rechtsprechung geht in der Regel davon aus, dass dies derjenige Elternteil ist, der den Empfehlungen der ständigen Impfkommission bzw. den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts folgt, wenn gesundheitliche Belange des Kindes nicht dagegen sprechen. Besondere Bedeutung kommt dabei auch dem Kindeswillen zugute.

Rechtsgrundlagen: §§ 1627 und 1628 BGB

" § 1627 Ausübung der elterlichen Sorge

Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.

§ 1628 Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern

Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden. "

Auszugsweise haben der Bundesgerichtshof, das Oberlandesgericht Rostock und das Oberlandesgericht Frankfurt folgende Entscheidung getroffen:

Bundesgerichtshof ( Beschluss vom 3.5.2017 – XII ZB 157/16 )

1. Die Schutzimpfung eines Kindes ist auch dann eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, wenn es sich um eine so genannte Standard- oder Routineimpfung handelt.

2. Bei Uneinigkeit der Eltern über die Durchführung einer solchen Impfung kann die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut befürwortet, jedenfalls dann übertragen werden, wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen.

3. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung und Abwägung der allgemeinen Infektions- und Impfrisiken ist hierfür nicht erforderlich.

Oberlandesgericht Rostock ( Beschluss v. 10.12.2021 - 10 UF 121/21 )

1. Die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Zustimmung zu Impfungen gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 mit einem mRNA-Impfstoff ist bei einer vorhandenen Empfehlung einer Impfung durch die Ständige Impfkommission (STIKO) und mangels entgegenstehender besonderer Impfrisiken beim Kind auf denjenigen Elternteil zu übertragen ist, der die Impfung befürwortet (im Anschluss an OLG Frankfurt a. M. NZFam 2021, 872 mAnm Opitz; OLG München, Beschluss vom 18.10.2021 – 26 UF 928/21, BeckRS 2021, 33306).

2. Der Übertragung der Entscheidungsbefugnis im Wege der einstweiligen Anordnung steht nicht entgegen, dass mit der Durchführung der Impfungen die Hauptsache vorweggenommen wird, soweit ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden notwendig ist. Dies ist grundsätzlich im Hinblick auf die sog. vierte Infektionswelle zu bejahen. Allerdings ist unabhängig von der Frage des Bestehens einer Impfempfehlung für eine eventuelle spätere Auffrischungsimpfung (sog. Booster-Impfung) das Eilbedürfnis zu verneinen (in Abgrenzung zu OLG München, Beschluss vom 18.10.2021 – 26 UF 928/21 = BeckRS 2021, 33306).

Oberlandesgericht Frankfurt / M. ( Beschluss v. 17.8.2021 - 6 UF 120/21
)

1. Auch bei vorhandener Einwilligungsfähigkeit in eine Corona-Schutzimpfung bei einem fast 16-jährigen Kind iSd § 630 d BGB bedarf es eines Co-Konsenses mit den sorgeberechtigten Eltern. Können diese sich in dieser Frage nicht einigen, ist eine Entscheidung nach § 1628 BGB herbeizuführen.

2. Die Entscheidung über die Durchführung der Corona-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff ist bei einer vorhandenen Empfehlung der Impfung durch die Ständige Impfkommission (STIKO) und bei einem die Impfung befürwortenden Kindeswillen auf denjenigen Elternteil zu übertragen, der die Impfung befürwortet.

Bei weiteren Fragen zum Thema Impfungen uneiniger Eltern oder sonstigen Fragen zum Familienrecht oder zur Rechtsprechung zum Familienrecht in Schwerin kontaktieren Sie gern Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel, Schwerin