Unterhalt Ehepartner: Welche Unterhaltsansprüche kann der gar nicht oder geringer verdienende Ehegatte haben?

Antwort von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel, Schwerin

a. Trennungsunterhalt

Vom Tag der Trennung an besteht ein Anspruch auf Trennungsunterhalt bis zur Rechtskraft der Ehescheidung. Auf diesen Anspruch kann nicht für die Zukunft verzichtet werden. Er setzt einerseits die Bedürftigkeit des einen und andererseits die Leistungsfähigkeit des anderen Ehegatten voraus.Der Unterhalt berechnet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Es gilt der Halbteilungsgrundsatz beim anrechnungsfähigen beiderseitigen Einkommen. Jedem Ehegatten steht dabei ein Erwerbsanreiz von 1/7 zu. Bestimmte, eheprägende Positionen und Vorsorgeleistungen können in Abzug gebracht werden.

Folgendes Beispiel:
Nettoeinkommen Ehefrau 1200,00 €

Fahrtkosten zur Arbeit 82,50 €
Riester-Rente 50,00 €
--------------------------------------------------------------
Zwischensumme 1067,50 €
1/7 Erwerbsanreiz 152,50 €

einsetzbares Einkommen 915,00 €

Nettoeinkommen Ehemann 2700,00 €

Fahrtkosten 82,50 €
Riester-Rente 100,00 €
ehebedingte Schulden 250,00 €
Zwischensumme 2567,50 €

1/7 Erwerbsanreiz 366,78 €

einsetzbares Einkommen 2200,72 €

bereinigtes Einkommen Ehefrau 915,00 €
bereinigtes Einkommen Ehemann 2200,72 €

eheprägendes Einkommen 3115,72 €

davon 1/2 1557,86 €
abzüglich Einkommen Ehefrau 915,00 €

Trennungsunterhalt 624,86 €

Dieses Beispiel ist extrem vereinfacht und berücksichtigt nur eine kinderlose Ehe. Sofern beispielsweise zwei minderjährige Kinder im Alter von zwölf Jahren vorhanden wären, könnte auch noch der Kindesunterhalt in Abzug gebracht werden.

b. Nachehelicher Unterhalt

aa.§ 1569 BGB Grundsatz der Eigenverantwortung
1 Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen.
2 Ist er dazu außerstande, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Unterhalt nur nach den folgenden Vorschriften.
Was bedeutet das?

Antwort von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel, Schwerin

Nach rechtskräftiger Ehescheidung normiert diese Vorschrift den Grundsatz der Eigenverantwortung, von dem nur die Unterhaltstatbestände der §§ 1570 ff BGB eine Ausnahme bilden. Danach Bestehen Ansprüche auf Betreuungsunterhalt, Altersunterhalt, Krankheitsunterhalt, Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit, Aufstockungsunterhalt, Ausbildungsunterhalt und Billigkeitsunterhalt. Alle Ansprüche können unter Billigkeitsgesichtspunkten zeitlich begrenzt und herabgesetzt werden. Im einzelnen:

bb. § 1570 Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes

(1) 1Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. 2Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. 3Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.

(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.
Was bedeutet das ?

Antwort von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel, Schwerin

Der betreuende Elternteil hat mindestens bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Innerhalb dieses Zeitraums muss er keiner Beschäftigung nachgehen, kann es aber. Nach Ablauf der Dreijahresfrist ist unter Billigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob kindes - oder elternbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts vorliegen, zum Beispiel, weil in abgelegenen Gegenden keine Betreuungsmöglichkeiten bestehen oder das Kind, beispielsweise wegen Entwicklungsdefiziten, einer längeren Betreuung durch einen Elternteil bedarf. Allgemeingültige Grundsätze lassen sich hier nicht erheben. Es kommt immer auf eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls an.

cc. § 1571 Unterhalt wegen Alters

Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit von ihm im Zeitpunkt
  1. der Scheidung,
  2. der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes oder
  3. des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1572 und 1573
    wegen seines Alters eine Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann.
Was bedeutet das ?

Antwort von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel, Schwerin

§ 1571 soll als Ausnahme der Eigenverantwortung dem aus Altersgründen nicht arbeitsfähigen Ehepartner einen Anspruch auf Unterhalt gewähren, um nicht der öffentlichen Fürsorge zur Last zu fallen. Der Anspruch ist alters-, aber nicht ehebedingt, dh er besteht auch dann, wenn ein Altersunterhaltsanspruch bereits bei Eheschließung bestand . Maßgeblicher Einsatzzeitpunkt ist die Scheidung. Auch hier erfolgt aber eine Ausweitung auf den Anschlussunterhalt bei Einsatzzeiten für Kinderbetreuung und Aufstockungs-, aber auch für Ausbildungsunterhalt
( BeckOK BGB § 1571,Rn 1 Stand: 01.08.2015).

dd. § 1572 Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen

Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt

  1. der Scheidung,
  2. der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes,
  3. der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder
  4. des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573 ( Unterhalt wegen Arbeitslosigkeit )
an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.
Was bedeutet das ?

Antwort von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel,Schwerin

§ 1572 schränkt den Grundsatz der Selbstverantwortung durch die nacheheliche Solidarität bei Erwerbsunfähigkeit als Folge einer Erkrankung ein. Der Anspruch ist krankheits-, aber nicht ehebedingt , dh er besteht auch dann, wenn die Erkrankung bereits bei Eheschließung vorlag. Dieser Anspruch ist aber durch die nachträglichen Einschränkungsmöglichkeiten beim fehlenden Nachweis ehebedingter Nachteile nach § 1578 b wesentlich eingeschränkt und dann nur noch bei der Annahme einer nachwirkenden ehelichen Solidarität gegeben ( BeckOK BGB § 1572 Rn 1, Stand: 01.08.2015 )

ee. § 1573 Abs. 1 Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit

(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1573 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.
Was bedeutet das ?

Antwort von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel,Schwerin

Dem geschiedenen Ehegatten obliegt es, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben.
Angemessen ist eine Erwerbstätigkeit, die der Ausbildung, den Fähigkeiten, einer früheren Erwerbstätigkeit, dem Lebensalter und dem Gesundheitszustand des geschiedenen Ehegatten entspricht, soweit eine solche Tätigkeit nicht nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre.Bei den ehelichen Lebensverhältnissen sind insbesondere die Dauer der Ehe sowie die Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes zu berücksichtigen.
Soweit es zur Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit erforderlich ist, obliegt es dem geschiedenen Ehegatten, sich ausbilden, fortbilden oder umschulen zu lassen, wenn ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist ( Definition des § 1574 BGB ).

Der geschiedene Ehegatte muss also eine seinen Fähigkeiten und seiner Ausbildung entsprechende Berufstätigkeit aufnehmen, sich um eine solche bemühen und sich gegebenenfalls fortbilden. Tut er dies nicht, muss er sich entsprechend fiktive Einkünfte anrechnen lassen.

ff. Aufstockungsunterhalt § 1573 Abs. 2 BGB

(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er ( Anmerkung: der Ehegatte ), soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.
Was bedeutet das ?

Antwort von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel, Schwerin

Der Aufstockungsunterhalt soll die Differenz der Einkommen der Eheleute ausgleichen. Hierbei kommt es in erster Linie auf die Dauer der Ehe, auf die Dauer der Betreuung von Kindern und nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor allem auf ehebedingte Nachteile an, vor allem hinsichtlich der Dauer. Diese Vorschrift ist daher im Zusammenhang mit § 1578 b BGB
( Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts wegen Unbilligkeit ) zu sehen.

Eine lebenslange Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards ist nur dann angemessen ist, wenn etwa die Ehe lange gedauert hat, wenn aus ihr gemeinsame Kinder hervorgegangen sind, die der Berechtigte betreut hat, wenn er erhebliche berufliche Nachteile um der Ehe willen auf sich genommen hat oder wenn sonstige Gründe (z.B. Alter oder Gesundheitszustand des Berechtigten) für eine dauerhafte Lebensstandardgarantie sprechen. Liegen diese Voraussetzungen dagegen nicht vor, hat sich aber der Lebensstandard des Berechtigten durch die Ehe verbessert, wird es oft angemessen sein, ihm nach einer Übergangszeit einen Lebensstandard zuzumuten, der demjenigen entspricht, den er vor der Ehe gehabt hat. Ein Aufstockungsunterhalt kommt dann nicht mehr bis zum vollen eheangemessenen Unterhalt in Betracht. Mit dem Moment der Ehedauer will das Gesetz auf die Unangemessenheit hinweisen, einen Ehegatten, der in seinem beruflichen Fortkommen durch die Ehe nicht benachteiligt wurde, selbst dann zu begünstigen, wenn die Ehe nicht lange gedauert hat .Bei einer diese Zweckrichtung berücksichtigenden Gesetzesanwendung hat der Tatrichter vorrangig zu prüfen, ob sich die Einkommensdifferenz der Ehegatten, die den Anspruch auf Aufstockungsunterhalt begründet, als ein ehebedingter Nachteil darstellt, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigt (BGH, Urteil vom 28.02.2007 - XII ZR 37/05 www. bundesgerichtshof.de ).

gg. § 1575 Ausbildungsunterhalt

(1) 1Ein geschiedener Ehegatte, der in Erwartung der Ehe oder während der Ehe eine Schul- oder Berufsausbildung nicht aufgenommen oder abgebrochen hat, kann von dem anderen Ehegatten Unterhalt verlangen, wenn er diese oder eine entsprechende Ausbildung sobald wie möglich aufnimmt, um eine angemessene Erwerbstätigkeit, die den Unterhalt nachhaltig sichert, zu erlangen und der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zu erwarten ist. 2Der Anspruch besteht längstens für die Zeit, in der eine solche Ausbildung im Allgemeinen abgeschlossen wird; dabei sind ehebedingte Verzögerungen der Ausbildung zu berücksichtigen.

(2) Entsprechendes gilt, wenn sich der geschiedene Ehegatte fortbilden oder umschulen lässt, um Nachteile auszugleichen, die durch die Ehe eingetreten sind.

(3) Verlangt der geschiedene Ehegatte nach Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung Unterhalt nach § 1573, so bleibt bei der Bestimmung der ihm angemessenen Erwerbstätigkeit (§ 1574 Abs. 2 ) der erreichte höhere Ausbildungsstand außer Betracht.

Was bedeutet das ?

Antwort von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel , Schwerin

§ 1575 gibt dem Berechtigten einen nachehelichen Anspruch auf eine Aus- und Fortbildung, die in der Ehe nicht realisiert werden konnte. Da nur ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden sollen, setzt der Anspruch nicht voraus, dass ohne die Ausbildung keine angemessene Erwerbstätigkeit ausgeübt werden könnte. Die praktische Bedeutung der Vorschrift ist bisher gering geblieben ( BeckOK BGB § 1575 Rn 1 ,Stand 01.08.2015 ).

gg. § 1576 Unterhalt aus Billigkeitsgründen

1Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit und solange von ihm aus sonstigen schwerwiegenden Gründen eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann und die Versagung von Unterhalt unter Berücksichtigung der Belange beider Ehegatten grob unbillig wäre. 2Schwerwiegende Gründe dürfen nicht allein deswegen berücksichtigt werden, weil sie zum Scheitern der Ehe geführt haben.

Was bedeutet das ?

Antwort von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel, Schwerin

§ 1576 bildet im System des nachehelichen Unterhaltsrechts einen Auffangtatbestand, wenn kein anderer Anspruchstatbestand vorliegt. Der Anspruch ist daher subsidiär und nicht ergänzend .

§ 1576 soll insoweit den Bedürftigen schützen, der keinen Anspruch nach den §§ 1572 ff hat, andererseits aber auch den Verpflichteten vor einer zu weitgehenden Inanspruchnahme, indem er dem Grundsatz der Eigenverantwortung des Berechtigten angemessen Rechnung trägt. Das wird durch eine eigene Billigkeitsabwägung im Rahmen von § 1576b erreicht, die strenger ist als in anderen Vorschriften und deren zusätzliche Anwendung daher ausschließt ( BeckOK BGB § 1576 Rn 1 - 3, Stand: 01.08.2015).

Denkbar ist der Anspruch bei Aufnahme von Pflegekindern aufgrund eines gemeinschaftlichen Entschlusses während der Ehe, für die die Vorschriften des Betreuungsunterhalts (gemeinsame Kinder) nicht gelten oder die Betreuung und Pflege von Eltern des anderen Ehegatten.

Haben Sie Fragen zur Thematik Unterhalt im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung , zum Familienrecht oder zur Rechtsprechung des Amtsgericht Schwerin steht Ihnen Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Martin Vogel, Schwerin gern über das nebenstehende Kontaktformular zur Verfügung. Einen persönlichen Termin können Sie unter der Tel.-Nr. 0385-565506/16 vereinbaren.