Erbschaftszeitpunkt: Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht auch für Schenkungen vor Geburt der Erben

Stirbt eine Person und wird ihr Erbe verteilt, kann es - je nach Konstellation - zu unschönen
Szenen kommen. Die Praxis zeigt, dass dies regelmäßig vorkommt, weil sich einer oder mehrere
der Erben benachteiligt fühlen.
Dem kann man vorbeugen, indem man zu Lebzeiten ein Testament aufsetzt und seinen Willen
zum Ausdruck bringt, in welcher Art und Weise sein Erbe aufgeteilt werden soll. Der
Gesetzgeber hat der grundsätzlich bestehenden Testierfreiheit jedoch insoweit einen Riegel
vorgeschoben, als dass bestimmte Personen ein Anrecht auf Erhalt eines Pflichtteils haben.
Hierzu gehören zum Beispiel Kinder, Eltern, Ehegatten oder auch Lebenspartner des
Verstorbenen. Selbst wenn diese im Rahmen des Testaments vom Erbe ausgeschlossen werden,
haben sie dennoch einen Anspruch auf diesen Pflichtteil. Darüber hinaus steht ihnen ein
sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch zu, falls der Verstorbene noch zu Lebzeiten Teile
seines Erbes verschenkt. Dadurch sollen die betreffenden Personen so gestellt werden, als sei die
Schenkung nicht erfolgt und die verschenkte Sache oder das verschenkte Geld nach wie vor Teil
des Erbes.
Der Bundesgerichtshof hat jüngst darüber entschieden, auf welchen Zeitpunkt bei dem
Pflichtteilsergänzungsanspruch abzustellen ist. Nach Ansicht des Gerichts sei bei der Ermittlung
des Pflichtteilergänzungsanspruchs nicht maßgeblich, ob die Pflichtteilsberechtigung bereits zum
Zeitpunkt der Schenkung bestehe. Auch wenn der spätere Pflichtteilsberechtigte zum Zeitpunkt
der Schenkung noch nicht geboren sei, stehe ihm dieser grundsätzlich mit seiner Geburt zu.
Hinweis: Eine Schenkung findet bei der Ermittlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs immer
weniger Berücksichtigung, je mehr Zeit seit der Schenkung vergangen ist. Zudem sind
Geschenke, die der Pflichtteilsberechtigte von dem Verstorbenen erhalten hat, auf seinen
Anspruch anzurechnen.

Quelle: BGH, Urt. v. 23.05.2012 - IV ZR 250/11

Fundstelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 72/2012

zum Thema: Familienrecht



Eingestellt am 13.07.2012 von M. Vogel
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