Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes bei hinausgeschobenem Ausbildungsbeginn

Der Fall:

Die 27-jährige Tochter begehrt Unterhalt von ihrem Vater und zwar zunächst Auskunft über die Höhe von dessen Einkommen. Mit 20 Jahren hat sie die Schule mit dem Realschulabschluss abgeschlossen. Danach gebar sie insgesamt vier Kinder und begann im Alter von 27 Jahren eine Ausbildung. Sie bezieht das staatliche Kindergeld für ihre Kinder und Berufsausbildungsbeihilfe. Im übrigen begehrt sie von ihrem Vater Unterhalt und um diesen bestimmen zu können, Auskunft über dessen Einkommen. Das Amtsgericht hat einen entsprechenden Verfahrenskostenhilfeantrag abgelehnt.

Die Entscheidung:

Vor dem Oberlandesgericht Jena wurde der Tochter Verfahrenskostenhilfe (früher: Prozesskostenhilfe) bewilligt.

Grundsätzlich haben Kinder Anspruch auf Ausbildungsunterhalt, sind aber verpflichtet, die Ausbildung konsequent und zügig durchzuführen. Hierzu hat das Oberlandesgericht Jena folgendes ausgeführt:

Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners, eine Berufsausbildung zu ermöglichen, steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Zwar muss der Verpflichtete nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Verzögerungen in der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind. Verletzt dieses aber nachhaltig seine Obliegenheit, seine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen.
Aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis folgt nicht nur die Obliegenheit des Kindes, die gewählte Ausbildung zügig durchzuführen. Die Rücksichtnahme auf die Belange der mit der Unterhaltszahlung belasteten Eltern erfordert es vielmehr auch, dass sich das Kind nach dem Abgang von der Schule innerhalb einer angemessenen Orientierungsphase für die Aufnahme einer seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechenden Ausbildung entscheidet .
Die Anwendung dieser Grundsätze führt im vorliegenden Fall nach den bisher getroffenen Feststellungen im summarischen Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren nicht dazu, dass die Antragstellerin keinen Ausbildungsunterhalt beanspruchen kann.....
...Ebenso fehlt es nach Auffassung des BGH .... an einer Obliegenheitsverletzung, wenn der Unterhaltsberechtigte infolge einer Schwangerschaft und der anschließenden Kindesbetreuung - wie hier - seine Ausbildung verzögert beginnt. Dies gilt jedenfalls insoweit, als der Unterhaltsberechtigte seine Ausbildung nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes - gegebenenfalls unter zusätzlicher Berücksichtigung einer angemessenen Übergangszeit - aufnimmt.

Quelle: OLG Jena, Beschluß vom 11.2.2015 1 WF 35/15

Fundort:BeckRS 2015, 03421

zum Thema:Familienrecht / Volljährigenunterhalt / aufgeschobener Ausbildungsbeginn / Rechtsanwalt / Schwerin / Fachanwalt



Eingestellt am 18.08.2015 von M. Vogel
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