Zugewinnausgleich auch bei langer Trennungszeit

Der Fall:

Die Beteiligten Eheleute sind seit 1971 miteinander verheiratet. Im Jahre 2000 trennten sie sich, wobei der Ehemann seit 2001 mit einer neuen Lebensgefährtin zusammenlebt. Im November 2008 erzielte der Ehemann einen Lottogewinn von ca. 950.000,00 €. Am 31.01.2009 wurde der Ehescheidungsantrag zugestellt und die Ehe am 23.10.2009 geschieden. Die Ehefrau begehrt einen Zugewinnausgleich von 237500,00 €, die Hälfte des Gewinns aus der Tippgemeinschaft zwischen dem Ehemann und seiner neuen Lebensgefährtin.

Das Amtsgericht Mönchen Gladbach hatte dem Antrag stattgegeben, das Oberlandesgericht Düsseldorf die Entscheidung weitestgehend abgeändert.

Die Entscheidung:

Maßgeblich war die Anwendung folgender Vorschriften:

"§ 1374 BGB Anfangsvermögen

1. Anfangsvermögen ist das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten beim Eintritt des Güterstandes gehört.
2. Vermögen, dass ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstandes von Todeswegen oder Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt, wird nach Abzug der Verbindlichkeiten dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, soweit es nicht nach den Umständen nach zu den Einkünften gehört....

§ 1381 BGB Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit

1. Der Schuldner kann die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern, soweit der Ausgleichs des Zugewinns nach den Umständen des Falls grob unbillig wäre.
2. Grobe Unbilligkeit kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Ehegatte, der den geringeren Zugewinn erzielt hat, längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben, schuldhaft nicht erfüllt....".

In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass bei langer Trennungszeit bei entsprechender Anwendung des § 1374 BGB der Vermögenszuwachs nicht mehr dem Endvermögen, sondern dem Anfangsvermögen zugerechnet wird.

Dieser Auffassung ist der Bundesgerichtshof entgegengetreten und stellt entsprechend des Wortlauts des § 1374 Abs. 2 BGB darauf ab, dass Vermögensvermehrungen auch bei langer Trennungsdauer dem Anfangsvermögen zuzurechnen sind.

"Die Fälle des § 1374 Abs. 2 BGB, denen ein Zugewinnausgleich nicht stattfinden soll, stellen Ausnahmen von den gesetzlichen Prinzipien dar, wonach es für den Zugewinnausgleich grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob und in welcher Weise der den Ausgleich fordernde Ehegatte zu Entstehung des Zugewinns beigetragen hat".

Auf diese Weise gelangt der Bundesgerichtshof der Feststellung, dass der Lottogewinn nicht dem Anfangsvermögen, sondern dem Endvermögen zuzuordnen ist. Der Bundesgerichtshof ist auch der Auffassung, dass ein Verweigerungsgrund gem. § 1381 Abs. 1 BGB nicht vorliegt. Die Vorschrift setzt eine

grobe Billigkeit

voraus. Die Vorschrift soll Ergebnisse korrigieren, die sich in besonders gelagerten Einzelfällen aus der schematischen Anwendung der Vorschriften zur Berechnung des Ausgleichsanspruches ergeben können. Nach Auffassung des Gerichtes ist es allerdings nicht ausreichend, dass sich die Unbilligkeit allein aus dem vom Gesetz im Interesse der Rechtssicherheit und Praktibilität festgelegten pauschalierenden und Schematischen Berechnungssystem ergibt.

Der Bundesgerichtshof sieht dementsprechend ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 1381 BGB nur dann, "wenn die Gewährung des Ausgleichsanspruchs in der vom Gesetz vorgesehenen Art und Weise dem Gerechtigkeitsempfinden unerträglicherweise entsprechen würde (grob unbillig)".

Diese Voraussetzungen sah der Bundesgerichtshof nicht als gegeben an, so dass das Gericht die erstinstanzliche Entscheidung wiederherstellte.

Hinweis:

In den Zugewinn fällt auch das Schmerzensgeld, wenn es am Stichtag noch vorhanden ist und auch insoweit keine grobe Unbilligkeit vorliegt. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Rückführung von Schulden bei einem Ehepartner in den Zugewinnausgleich fällt. Ist beispielsweise der Ehepartner zum Zeitpunkt der Trennung hoch verschuldet und zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Scheidung schuldenfrei, würde auch diese Schuldentilgung in den Zugewinnausgleich fallen. Daher ist es für dem vermögenden Ehegatten sinnvoll, auf eine schnelle Ehescheidung zu drängen.

Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.10.2013 - XII ZB 277/12

www.bundesgerichtshof.de

zum Thema: Familienrecht/Zugewinn/Lottogewinn



Eingestellt am 22.12.2013 von M. Vogel
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