Kein Aussageverweigerungsrecht Verwandter in Hartz-IV-Prozessen

Der Fall: Ein Langzeitarbeitsloser beantragte Leistungen nach dem SGB II. Das Jobcenter lehnte den Antrag ab, weil der Betroffene nicht hilfebedüftig sei, da das Einkommen des Stiefvaters auch seinen Lebensunterhalt abdecken würde.

Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, welcher ebenfalls zurückgewiesen wurde.

Dann erhob er Klage zum Sozialgericht Köln. Dort sollte er Angaben zum Einkommen seiner Mutter und seines Stiefvaters machen. Er gab an, dass ihm die Einkommensverhältnisse nicht bekannt seien und er demnach dazu keine Angaben machen könne. Das Sozialgericht beabsichtigte daher, die Mutter und den Stiefvater als Zeugen zu vernehmen. Diese beriefen sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Mutter bzw. Ehegatten von Verwandten.

Das Sozialgericht Köln stellte fest, dass ein derartiges Zeugnisverweigerungsrecht nicht besteht.
Grundsätzlich bestehe eine Verpflichtung, vor Gericht als Zeuge auszusagen, es sei denn, es bestehe ein gesetzlich verankertes Zeugnisverweigerungsrecht. Dieses besteht grundsätzlich für Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie.

§ 385 Abs.1 Nr. 3 ZPO führt dazu folgendes aus:

(1) In den Fällen des § 383 Nr. 1 bis 3 und des § 384 Nr. 1 darf der Zeuge das Zeugnis nicht verweigern:
1.über die Errichtung und den Inhalt eines Rechtsgeschäfts, bei dessen Errichtung er als Zeuge zugezogen war;
2.über Geburten, Verheiratungen oder Sterbefälle von Familienmitgliedern;
3.über Tatsachen, welche die durch das Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten betreffen;
4.über die auf das streitige Rechtsverhältnis sich beziehenden Handlungen, die von ihm selbst als Rechtsvorgänger oder Vertreter einer Partei vorgenommen sein sollen.

Zeugnisverweigerungsrechte bestehen insbesondere zur Vermeidung einer Konfliktsituation innerhalb der Familie. Der Gesetzgeber hat diesen möglichen Konflikt in dem in § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aufgeführten Fall im Interesse der Rechtspflege an der Wahrheitsfindung als nicht schützenswert angesehen und der Aufklärung des Sachverhalts wegen des Mangels anderer Beweismittel den Vorrang eingeräumt

Bei familiären Vermögensangelegenheiten und der Frage nach dem Einkommen, welches innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft auf möglicherweise bestehende Ansprüche nach dem SGB II anzurechnen wäre, findet nach Auffassung des SG Köln und des LSG Nordrhein-Westfalen, welches die Entscheidung des SG Köln bestätigte, § 385 Abs.1 Nr. 3 ZPO Anwendung. Ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht in derartigen Fällen demnach nicht.

Quelle: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.10.2014, AZ L 19 AS 1880/14 B

Zum Thema: Hartz IV/ Angehörige/ Bedarfsgemeinschaft/Mitwirkung/Zeugnisverweigerungsrecht



Eingestellt am 20.11.2014 von D. Köhn-Huck
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