Vorzeitiger Rentenbeginn bei Hartz IV-Bezug

Der Fall: Der Kläger und seine Ehefrau erhielten als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II vom beklagten Jobcenter. Eine Vermittlung des Klägers in Arbeit scheiterte mehrere Jahre. Der im März 1950 geborene Kläger wurde daraufhin im September 2012 vom Jobcenter aufgefordert, einen Antrag auf Altersrente ab Vollendung seines 63. Lebensjahres zu stellen. Dies war der frühestmögliche Zeitpunkt für den Kläger, eine Rente zu beziehen. Da die Voraussetzungen einer abschlagsfreien Rente erst zum 1.8.2015 erfüllt sind, wäre eine vorzeitige Inanspruchnahme der Rente mit Abschlägen in Höhe von 0,3 % je Kalendermonat der vorzeitigen Inanspruchnahme verbunden. Aus diesem Grund weigerte sich der Kläger, den Antrag zu stellen und legte gegen den Bescheid des Jobcenters Widerspruch ein.

Der Widerspruch wurde zurückgewiesen. Das Jobcenter berief sich auf § 12 a SGB II und die darin gesetzlich konkretisierte Selbsthilfeverpflichtung, durch den Bezug der Rente die weitere Hilfebedürftigkeit zu verhindern.
Der Kläger erhob Klage vor dem Sozialgericht. Das Sozialgericht schloss sich der Auffassung des Jobcenters an. Es hielt die Aufforderung des Jobcenters, einen Rentenantrag zu stellen, für rechtmäßig.
Der Kläger legte Berufung ein. Auch das Landessozialgericht hielt die Aufforderung für rechtmäßig.
Es folgte ein Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht. Auch das Bundessozialgericht hat entschieden, dass die Aufforderung zur Rentenantragstellung rechtmäßig ist und bezog sich dabei auf die § 5 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit§ 12 a SGB II. Das Gericht führte aus, dass der SGB 2-Leistungsträger danach den Hilfebedürftigen zur Antragstellung auffordern oder einen Antrag für den Leistungsberechtigten stellen könne, wenn sich dieser seiner Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen eines anderen Sozialversicherungsträgers entziehe und der Aufforderung des Jobcenters, den Antrag zu stellen, nicht nachkomme. Die fehlende Mitwirkung im Rentenverfahren könne durch das Jobcenter ersetzt werden.
Die Inanspruchnahme einer Altersrente, auch vorzeitig und verbunden mit Abschlägen, gehöre grundsätzlich zu den vorrangigen Leistungen, mit denen die Hilfebedürftigkeit verhindert werden müsse.
Während des laufenden Klageverfahrens gegen die Aufforderung stellte das Jobcenter für den Kläger einen Antrag auf Altersrente mit Beginn zum Zeitpunkt des Erreichens des 63. Lebensjahres unter Berufung auf § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Die Rentenversicherung lehnte den Antrag wegen mangelnder Mitwirkung durch den Kläger als Versicherten ab. Gegen diesen ablehnenden Bescheid legte das Jobcenter Widerspruch ein.
Das Bundessozialgericht setzte sich auch mit den Einwendungen des Klägers auseinander, der die ordnungsgemäße Ermessensausübung durch das Jobcenter bestritt. Das Bundessozialgericht ging davon aus, dass Jobcenter habe sich im Rahmen seiner Ermessensausübung mit dem vom Kläger gegen eine vorzeitige Renteninanspruchnahme vorgebrachten Argumenten ausreichend auseinander gesetzt. Ein Abweichen vom gesetzlichen Regelfall der vorzeitigen Inanspruchnahme zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit sei nicht zu erkennen. Ermessensfehler seien nicht offensichtlich. Sie drängten sich auch nicht auf, da die Rente auch mit den Abschlägen erheblich höher sei, als die Leistungen, die der Versicherte vom Jobcenter erhalten habe.

Quelle: BSG, Urteil vom 19.08.2015, B 14 AS 1/15 R K
Redaktion beck-aktuell, Verlag C.H. Beck, 19.08.2015
Zu den Themen: Rente, Abschläge, Aufforderung Jobcenter Rentenantrag, Sozialrecht, Anwalt, Schwerin



Eingestellt am 20.08.2015 von D. Köhn-Huck
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