Warum gilt der Vergleich zum Dieselskandal / Abgasskandal nicht für Käufer, die ihr Fahrzeug nach dem 1.1.2016 erworben haben?
Im Abgasskandalprozeß der Musterfestellungsklage haben Volkswagen und der vzbv sich drauf verständigt, dass
- nur Verbraucher, die einen Audi, SEAT, Skoda oder Volkswagen mit einem EA189 Dieselmotor erworben haben.
- nur Verbraucher, die ihr Fahrzeug vor 1. Januar 2016 erworben hatten.
- nur Verbraucher, die ihren Wohnsitz in Deutschland hatten, als sie das Fahrzeug erworben haben
- nur Verbraucher, die sich auch tatsächlich in das Register der MFK ein- und auch nicht wieder ausgetragen haben
- nur Verbraucher, die nicht bereits auf anderem Wege (etwa Urteil oder Vergleich) Zahlungen wegen ihres Fahrzeugs erhalten haben
einen Vergleich abschließen können ( Quelle: www.adac.de )
Sie müssen bzw. können ihre Ansprüche in eigenen Prozessen weiterführen, wobei die Erfolgsaussichten jedenfalls gegen die Volkswagen AG problematisch sind
Im Prozess der Musterfeststellungsklage haben sich aber auch solche Kläger eingetragen, die ihr Fahrzeug nach dem 1. Januar 2016 erworben haben. Diese sind vom Vergleich nicht erfasst und können mit der Volkswagen AG auch keinen entsprechenden Vergleich abschließen.
Da die kaufvertragsrechtlichen Ansprüche mit einer Gewährleistungsfrist von 2 Jahren beim Neuwagenkauf bezw. 1 Jahr beim Gebrauchtwagenkauf zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Abgasskandals bereits abgelaufen waren, haben viele Amts-Land und Oberlandesgerichte die Volkswagen AG wegen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB zum Schadensersatz verurteilt. Bei Erwerb des Fahrzeuges bis zum Bekanntwerden des Abgasskandal war den Käufern die Problematik nicht bekannt, sodass sie sowohl sittenwidrig getäuscht wurden als auch einen Schaden erlitten haben. Anders sehen die Gerichte dies bei einem Erwerb des Fahrzeuges nach Bekanntwerden des Abgasskandals.Hierzu führt exemplarisch das OLG Stuttgart mit Urteil vom sechsten 20.11.2019 10 U 199/19 aus:
" 1. Macht der Geschädigte geltend, er sei durch die sittenwidrige Handlung des Täters zu schädlichen Vermögensdispositionen, hier dem Kauf eines Gebrauchtwagens mit dem Motor EA189, veranlasst worden, dann trifft den Täter der haftungsbegründende Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung nur dann, wenn der Geschädigte die ihn schädigende Handlung gerade deswegen vorgenommen hat, weil er dazu sittenwidrig veranlasst worden ist. Daher muss für eine Haftung aus § 826 BGB im Zeitpunkt des Abschlusses des Gebrauchtwagenkaufs Sittenwidrigkeit vorliegen. (Anschluss BGH, Urteil vom 20. Februar 1979 - VI ZR 189/78).
2. Die Beklagte hat die breite Öffentlichkeit und damit auch die potentiellen Erwerber von Kraftfahrzeugen, die mit dem Motor EA 189 ausgestattet sind, in Form von Pressemitteilungen ab Ende September 2015 bis Mitte Oktober 2015 darüber informiert, dass dieser Motor mit einer Abschalteinrichtung versehen ist, die vom KBA als nicht ordnungsgemäß angesehen wird und daher zu entfernen ist. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung kann ab Mitte Oktober 2015 nicht mehr von einer weiterhin als sittenwidrig anzusehenden Veranlassung der Schädigung von Käufern durch das ursprünglich sittenwidrige Inverkehrbringen der Fahrzeuge ausgegangen werden.
3. Auf die konkrete Kenntnis des einzelnen Erwerbers von der Abschalteinrichtung bei Abschluss des Kaufvertrags kommt es bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit nach § 826 BGB nicht an.
4. Wird ein Erwerber bei Abschluss des Kaufvertrags darauf hingewiesen, dass sein Fahrzeug vom Rückruf wegen einer Abschalteinrichtung betroffen ist, entsteht ihm durch den Erwerb kein vom Hersteller des Fahrzeugs bzw. des Motors verursachter Schaden. "
Einerseits stellt das Gericht fest, dass ab Mitte Oktober 2015 ein sittenwidriges Verhalten der Volkswagen AG aufgrund der Aufklärung der VW-AG fehlt und ebenso kein Schaden vorliegt, wenn der Käufer hierum wusste. Unter diesen Voraussetzungen wird es künftig schwierig sein, Prozesse zu gewinnen, wenn ein Fahrzeug ab Mitte Oktober 2015 erworben wurde.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht, Martin Vogel, Schwerin - Vertragsanwalt des ADAC zum Thema Abgasskandal Volkswagen